Mit Literatur im Titel ist die schöngeistige Literatur gemeint, und ihr Auftreten in der Chemie ist eigentlich mehr als ein Flirt. Dafür bildet das Buch selbst den besten Beleg: Es ist eine Präsentation von Büchern und Autoren (insgesamt 25), die in ihren Werken zum Teil sehr ausführlich auf die Chemie eingehen, auf ihre Faszination, die für Laien ja oft an das Magische grenzt, bis zu ihren praktischen Bedeutung, sei es in der Produktion, im Handel oder in der Umwelt. Das Spektrum der Autoren ist breit gefächert; der Willstätter- und Haber-Freund und in seinen Werken ja oft naturphilosophische Thomas Mann ist dreimal vertreten: Mit dem Zauberberg (Naphta (sic!) und Myhnheer Peeperkorn), dem Dr. Faustus (Serenus Zeitblom) und dem Felix Krull (Professor Kuckuck), Goethe zweimal (natürlich mit den Wahlverwandtschaften und Dichtung und Wahrheit) und der ja chemisch ebenfalls belastete Theodor Fontane auch zweimal (Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Von Zwanzig bis Dreißig). Von neueren Autoren, in deren Werken die Chemie und ihre Produkte eine wichtige Rolle spielen, werden etwa Patrick Süskind (Das Parfüm) oder Erwin Strittmatter (Der Laden) behandelt. Der erste Umweltroman (Wilhelm Raabe, Pfisters Mühle) fehlt ebenso wenig wie Der Alchemist von Ben Jonson, Aldous Huxley mit seiner Schönen neuen Welt oder Krimis höherer (Umberto Eco, Der Name der Rose) oder niederer Provenienz (Agatha Christie, unter anderem Nikotin) – von Chemiemystikern wie August Strindberg (Der Vater) ganz zu schweigen. Alle Kapitel stellen den Autor, die Autorin ausführlich vor, erläutern wissenschaftliche Begriffe – nicht nur aus der Chemie – und verweisen auf nützliche Tertiärliteratur (ergänzt durch ein umfangreiches Literaturverzeichnis). Es liegt in der Natur eines derartigen Buches, dass es nicht vollständig sein kann, es also Wünsche offen lässt. So sucht man vergeblich nach neueren Autoren wie Walter E. Richartz, Carl Djerassi oder Roald Hoffmann. Auch Bücher, die direkt dem chemischen Milieu entstammen, fehlen – etwa Schenzingers Anilin, ein Buch, das wohl wesentlich mehr junge Menschen vom Chemiestudium überzeugt hat, als manche heutige Hochglanzwerbeaktion, oder Vicki Baums noch immer lesenswerter Klassiker (der Trivialliteratur) Stud. chem. Helene Willfüer (meine eigene Auflage ist die 116.-126 Tausendste!). Fazit: eine lesens- und besitzenswertes Buch, das auch durchaus durch einen zweiten Teil ergänzt werden könnte. 274 Seiten, gebunden 24.90 Euro. Buchbesprechung von Henning Hopf, Braunschweig Aus: Nachrichten aus der Chemie, Dezember 2009, Seite 1232